Im „Weißen (geheimen) Garten“

Seit etwa 30 Jahren besuche ich nun schon die schönsten Gärten Englands, zu denen zweifelsohne der berühmte Garten „Sissinghurst“ zählt. Er wurde von der Schriftstellerin Vita Sackville-West und ihrem Ehemann Harold Nicolson angelegt und ist wohl der am meisten besuchte Privatgarten Englands. Heute befindet er sich in der Obhut des National Trust, dessen Mitglied ich bin . Deswegen kann ich ihn kostenlos besuchen, was ich dann auch fast bei jeder Reise mache.

Vita Sackville-West ersann damals einen Gartenteil, der bis heute noch Auswirkungen auf zahlreiche Gartenanlagen hat und ein Besuchermagnet ist: sie entwarf einen weißen Garten mit einer Rosenlaube im Zentrum, die von einer chinesischen weißen Kletterrose erobert wurde. Ein hinreißender Anblick, besonders im Juni zur Zeit der Rosenblüte, der mich zu unserem „Weißen Garten“ inspirierte.

Ich wollte schon seit langem einen weißen Garten anlegen, doch es mangelte an dem dafür notwendigen Platz. Erst nach dem Zukauf des neuen Grundstücks konnte ich mir diesen Traum erfüllen.

Man betritt den „Weißen Garten“ durch einen klassizistischen Steinbogen, der im Juni von einer weißen Glyzinie umspielt wird. Zu ihr gesellt sich die stark duftende weiße Clematis „Montana Wilsonii“, die jährlich die gesamte Hecke mit ihren sternförmigen Blüten überzieht und manchmal stark zurückgeschnitten werden muss.

Der gesamte Garten ist von hohen Hecken umgeben, um dem Besucher ein Gefühl der Abgeschlossenheit zu vermitteln. Schließlich bezeichnen wir den Garten auch als geheimen Garten. Hier soll man sich in dem etwas abgelegenen Teil zurückziehen und der Welt etwas entrücken können.

Vier inzwischen hoch gewachsene Kugelahorne und drei Pfeifensträucher (Falscher Jasmin) schotten den Garten vor neugierigen Blicken ab.

Im Zentrum des Gartens ließen wir ein rundes , klassisches Wasserbecken bauen. In seinem Zentrum ragen zwei Kraniche aus Metall zwischen den Blättern weiß blühender Seerosen heraus.

Am Teichrand wachsen im Frühling weiße Traubenhyazinthen und Narzissen und im Sommer Staudenschleifenblumen (Schneeflocke), weiße Polsterglockenblumen und Zauberschnee.

Der kleine Rundweg wird von niedrigen Buchshecken eingefasst und führt uns durch den „Weißen Garten“.

Zuerst gelangen wir zum Tempel, ein Gebäude, zu dem ich in den bekannten Gärten Tintinhull Garden“ und „Barnsley House Garden“ inspiriert wurde. Auch dort stehen etwas größere Exemplare, die mir so sehr gefielen, dass ich unseren Tempel ähnlich nachbauen ließ. Zunächst wollte ich dies selber machen, aber nach etwa zehn Reihen streikten meine arthritischen Hände (die Fachleute konnten es auch besser!) und ich gab auf.

In den Tempel stellte ich eine Bank, auf der wir sehr gern abends sitzen, auf das Wasser blicken und abschalten. Nachts kann das Wasserbecken von innen beleuchtet werden, was ihm einen verwunschenen Charakter verleiht. Außerdem lassen sich so die schwimmenden Frösche als Silhouetten beobachten.

Wir folgen dem Rundweg und gelangen zu zwei Kugelahornen, unter denen sich eine Pflanzschale auf einem Sockel befindet.

Im Frühling wachsen in ihr weiße Hyazinthen und Tulpen und im Sommer graues Currykraut (Helichrysum) oder Weihrauch und Zauberschnee , aus dem eine Büste herausschaut.

Wir folgen dem Weg und halten nun an einer giebelförmigen Wand, die als Pendant dem Tempel gegenüber steht. Sie wird von zwei Kugelahornen flankiert, deren Kronen zu einem Dreieck geschnitten werden und somit die Giebelform der davor liegenden Wand aufnehmen.Vor der Wand schmücken eine Büste, verschiedenen Gefäße mit weißen Pflanzen und ein Leuchter den davor stehenden Steintisch.

Der weiße Kiesweg führt uns nun wieder zurück zum Eingang.

In den Beeten finden sich nur weiße Pflanzen, wie zum Beispiel Spornblumen, Rittersporn, Hemerocallis „White Temptation“ Kandelaberehrenpreis, Perlkörbchen, Hortensien, Lilien, Japananemone „Whirlwind“und natürlich weiße Rosen: die sehr stark duftende, kugelförmige Austinrose„ Wallerton Old Hall“, die ich auch dort in meinem Lieblingsgarten „Wallerton Old Hall Garden“ erstand, und die Rosensorten „Aspirin“ und„Schneewittchen“.

Dazwischen schießen im Juni zahlreiche Allium der Sorten „Mont Blanc“ und „ Mount Everest“ mit ihren schneeweißen Blütenkugeln in die Höhe.

An Obelisken und am Tempel ranken die weißen Clematissorten „Duchess of Edingburgh“, „Grefve Erik Ruuth“, „Mrs. Bateman“ und die starkwüchsige „Montana Wilsonii“, die nach heißer Schokolade duftet.

Ein weiß gefasster Spiegel hellt eine dunkle Stelle unter dem falschen Jasmin auf und verdoppelt in dem Beet neben dem Tempel die Blütenfülle.

Nun verlassen wir den „Weißen Garten“ und setzen unseren Rundgang fort, der uns zurück in die Nähe des Hauses führt.